PATIENTEN-INFO Nr. 15

Koitus corruptus oder Enthaltsamkeit, das ist hier die Frage

Aus: SPK-Dokumentation II

Daß das StP (Studentenparlament) eine Quasselbude ist, wußten wir schon. Daß es aber offen faschistisch ist, mußten wir erst erfahren. Bei Angola, Spanien und Ghettobewohnern waren wir noch leicht optimistisch. Nachdem aber ein Dringlichkeitsantrag des SPK, der vier Punkte zwecks Solidarisierung enthielt, von uns selbst eingebracht wurde, hagelte es nur so von Streichungen, Nichtbefassungs- und Vertagungsanträgen, daß wir uns im bayrischen Landtag befindlich zu sein glaubten.

Als dann aber AStA-Führer II. Breger kundtat, der ganze Antrag sei völliger Quatsch, wurden wir hellwach. Wir mußten hören, daß an der Universität viele Reaktionäre (nicht nur ein Schneider!) seien, also ohnehin ihr Anspruch auf Wissenschaft nicht ernst zu nehmen sei; daß wir deswegen, weil wir diesen Anspruch ernst nehmen, naiv seien usw. Daß da wohl so etwas wie Dialektik im Spiel ist, darauf kommt dieses läppische Geschwätz nicht: Wissenschaft, obwohl und weil nicht vorhanden, muß ständig gefordert und realisiert werden. Dies bedeutet nämlich, die Widersprüche der kapitalistischen Gesellschaft auf die Spitze treiben. D.h. den bornierten Ordinierten muß immer die Realisierung ihres bürgerlichen Anspruchs, daß Wissenschaft dem Menschen diene, abgefordert werden. Marx: "… man muß diese versteinerten Verhältnisse dadurch zum Tanze zwingen, daß man ihnen ihre eigene Melodie vorsingt" (Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie, Einleitung). Dies bedeutet in der bürgerlichen Gesellschaft einerseits Inbesitznahme der Wissenschaft, andererseits Verlust derselben.

Dieser Widerspruch kann nur durch einen qualitativen Sprung, der die Revolution ist, gelöst werden. Diese muß von denen gemacht werden, die in der Lage sind, ihre eigene Tätigkeit unter der Form des Objekts zu betrachten, das heißt, in Bezug auf die eigene Tätigkeit tätig zu werden. Somit wird einerseits Wissenschaft realisiert und andererseits aufgehoben. Der Widerspruch, der uns von Breger vorgeworfen wird, ist also notwendig. Die Trennung und undialektische Gegenüberstellung seiner beiden Seiten ist letzten Endes metaphysisch. Vom Standpunkt Bregers aus ist es dann bloß konsequent zu behaupten, man sei bei allen Beteiligten an der falschen Adresse, der Kultusminister sei zu stark, der Verwaltungsrat und Rektor seien gegenüber Hahn zu schwach, deshalb könne man sich nicht an sie wenden. Breger will also das ganze Wissenschaftsproblem zum abstrakten Zeitpunkt der Revolution lösen, wo dann die sogenannte Machtfrage ein rein quantitatives Verhältnis ist.

Revolution ist aber das Sich-selbst-Setzen immanenter Widersprüche der Gesellschaft (also der Einzelnen). Wissenschaft an der Universität fordern heißt also, prüfen, ob der Gegenstand (Uni) seinem Begriff (Wissenschaft) entspricht. Tut er das nicht, so ist zu fordern, daß der Begriff (der historische Realität besitzt) wirklich wird (Aufhebung des Widerspruchs von Gegenstand und Begriff). Ist das nicht zu leisten, so hebt der Gegenstand sich durch sich selbst auf (bestimmte Negation), der Begriff des Gegenstands weist also über die Realität hinaus. In der Auflösung der Universität entspricht sie also ihrem Begriff von Wissenschaft, wenn diese nicht im Einzelnen, Besonderen verwirklicht werden kann aufgrund des bestehenden Grundwiderspruchs. Die Auflösung ist dann die Wirklichkeit der Wissenschaft des Klassenkampfes; ist Verschärfung des Grundwiderspruchs, ist Evolution und Revolution, ist Wissenschaft unter der Kategorie der Totalität betrachtet. Denn der Begriff des Gegenstandes sind seine Beziehungen zur Totalität = Grundwiderspruch.

Dies leugnen zu wollen heißt eben, sich den Wissenschaftsbegriff des 1000-jährigen Reiches zu eigen zu machen. Festhalten an Universität, Pöstchen, sog. Handlungsbasis und Sich-Festfressen an der angestrebten Aufhebung des SDS-Verbots ist ein abstrakter (losgelöster) Standpunkt und damit konterrevolutionär. Nebenbei, das SDS-Verbot war besonders rätselhafte Politik, da dieser desolate Hühnerhaufen trotz mehrjährigen Bestehens nicht mal die gleiche Basis erreichen konnte wie das SPK in seiner kurzen Praxis. Die gleiche Kerbe, in die Breger so eifrig haut, wird von dessen Genossen Hildebrandt kräftig poliert. Dem Hildebrandt ins Stammbuch: "Keiner kann sich Marxist nennen, der nicht die ganze Logik von Hegel gelesen und verstanden hat!!" (Lenin). Aus seiner primitiven Identitätsphilosophie (A = A, Studentenparlament = Studentenparlament, SPK = SPK) folgt sein Vorschlag der Bündnispolitik. Die Bestimmung des Bündnisses aber ist seine Negation, d.h. nach der Umarmung folgt der Arschtritt. Solcher Koitus corruptus ("Bündnis" mit uns = corruptes Zusammengehen mit Hahn und Kumpanen) schadet uns nur. Damit Hildebrandt, Breger plus Hosenknöpfe und Krawatten ihrem marxistischen Anspruch überhaupt gerecht werden, muß ihr Handeln aus der Sache folgen, d.h. gleiche Basis mit dem SPK. Jedoch konnten für das irrationale Abwürgen unseres Antrages keine Gründe vorgebracht werden, man beeilte sich, das Problem abstimmungstaktisch hinter sich zu bringen (als ob die progressive Seite des Widerspruchs in der Abstimmung zutage träte). Das Studentenparlament hatte monatelang Gelegenheit, sich an Ort und Stelle zu informieren. Als völlige Selbstentlarvung muß deswegen gewertet werden, daß Hildebrandt und Kumpanen jetzt Informationen bei Rektorat und Studentenhilfe einholen wollen. Dies entnehmen wir dem Flugblatt: "Wird die Universität aufgelöst?", das der AStA zu verteilen nicht wagte und das wir deshalb der Studentenschaft zugänglich machten. Über das StP schreibt Hegel in der Enzyklopädie III:

"Auf physischem Wege sind übrigens Geisteskranke mitunter gerade durch dasjenige geheilt worden, was im Stande ist, die Verrücktheit bei denen, die sie nicht haben, hervorzubringen, - nämlich durch heftiges Fallen auf den Kopf. So soll z.B. der berühmte Montfaucon in seiner Jugend auf jene Weise von Stumpfsinnigkeit befreit worden sein. Die Hauptsache bleibt immer die psychische Behandlung. Während diese gegen den Blödsinn nichts auszurichten vermag, kann dieselbe gegen die eigentliche Narrheit und den Wahnsinn häufig mit Erfolg wirken, weil bei diesen Seelenzuständen noch eine Lebendigkeit des Bewußtseins stattfindet, und neben der auf eine besondere Vorstellung sich beziehenden Verrücktheit noch ein in seinen übrigen Vorstellungen vernünftiges Bewußtsein besteht, das ein geschickter Seelenarzt zu einer Gewalt über jene Besonderheit zu entwickeln fähig ist."

9.11.70

SOZIALISTISCHES PATIENTENKOLLEKTIV
an der Universität Heidelberg

PF/SPK(H), 26.05.2014